"Selbstbestimmungsrecht und Klassenkampf"

04.06.2009 | Ralf Streck (linksunten.indymedia.org)

?ngeles Maestro war Parlamentarierin der Vereinten Linken (IU) in Spanien. Sie trat 2004 mit der Roten Str?mung aus, weil sie dagegen war, die neoliberale Politik der Sozialisten zu st?tzen. Die 57j?hrige aus Madrid kandidiert f?r die “Internationalistischen Initiative – Solidarit?t der V?lker” (II-SP) f?r das Europaparlament. Wir sprachen ?ber den Verbotsversuch und die Vorstellungen von II-SP.

Das Verfassungsgericht hat das Verbot des Obersten Gerichtshofs gegen II-SP aufgehoben. ?berrascht es Sie?

Wir waren nach der Kriminalisierungskampagne der Regierung und Medien davon schon ?berrascht. Sie behandelten uns, als h?tten sie uns im Waffenlager erwischt. Wir wurden auch vom Obersten Gerichtshof als “Instrument” der baskischen Untergrundorganisation ETA bezeichnet, wobei normale Vorg?nge als kriminell angef?hrt wurden: die Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen, dass der Listenf?hrer Alfonso Sastre legal f?r eine Partei kandidierte, die sp?ter verboten wurde, etc. Wir wurden zum ETA-Umfeld, obwohl bei uns kein Baske kandidiert. Wir dachten, jetzt ist es vorbei…

… wie es bei allen baskischen Parteien und Hunderte W?hlerlisten bisher ?blich war.

Genau, denn sie wurden alle ?ber das neun Parteiengesetz illegalisiert. Bei uns beschr?nkte sich das Verfassungsgericht auf Fakten, dass es keine Beweise f?r die Vorw?rfe gibt. Interessant ist, dass im Urteil des Verfassungsgerichts von uns keine ausdr?ckliche Verurteilung der Gewalt gefordert wurde. Das ?berrascht und zeigt Mut der Richter. Man darf nicht vergessen, dass ?ber das Gesetz und dem Antiterrorwahn schon Hunderte inhaftiert wurden, die nie Gewalt eingesetzt haben. Es darf nicht der Eindruck entstehen, sie s??en rechtm??ig im Knast.

Erstmals reichen bei einer spanischen Liste die Kriterien nicht, die stets bei Basken zum Verbot f?hren. Stehen wir am Wendepunkt?

Es gibt viel zu analysieren. Die Verfassungsrichter haben sich gegen die Regierung gestellt und sie blamiert. Eine Rolle hat unsere breite Unterst?tzung gespielt. Bei II-SP kandieren bekannte Intellektuelle, Arbeiterf?hrern und Studenten. Auch Mitglieder der IU und der gr??ten Gewerkschaft stellten sich gegen das Verbot. Da ist auch der Stra?burger Menschenrechtsgerichtshof, der schon ?ber das Verbot der Partei Batasuna (Einheit) verhandelt. Es werden nur sehr wenige F?lle angenommen, wenn sie gut fundiert sind.

Hatten Sie Angst, nach dem Verbot in den Knast zu wandern?

Alles war m?glich. Im Baskenland wurden Kandidaten zum Teil schon auf der Pressekonferenz nach dem Urteil verhaftet.

Welche Bedeutung hat II-SP?

Erstmals wurde eine Formation gebildet, die von allen V?lkern im spanischen Staat getragen wird und deren Recht auf Selbstbestimmung, Souver?nit?t und die Unabh?ngigkeit verteidigt. Wir werden von vielen Basken, Katalanen, Galiciern … getragen, von Studenten, die gegen die Privatisierung der Bildung k?mpfen, Arbeitern, Antifaschisten, Hausbesetzern, sogar von Anarchosyndikalisten. Wir wehren uns gegen ein Europa des Kapitals, wollen raus aus der Nato, die Monarchie abschaffen, deren K?nig vom Diktator Franco als Nachfolger eingesetzt wurde. Wir treten f?r die Ern?hrungssouver?nit?t, den Umweltschutz und gegen das Patriarchat ein. Wichtig ist, dass in dieser Krise, welche die Bev?lkerung hart trifft, eine Formation existiert, die unabh?ngig von den Parteien, dem Staats und den von ihm und den Unternehmern kontrollierten Gewerkschaften ist. Es ist der Moment f?r II-SP und wir wecken gro?e Hoffnungen. Wir haben die h?chste Arbeitslosigkeit in Europa, die meisten Arbeitsunf?lle und befristete Arbeitsvertr?ge, etc. Die sich entwickelnden sozialen K?mpfe d?rfen nicht erneut ein Waisenkind ohne politische Vertretung sein.

Wie sind die Chancen ins Europaparlament zu kommen, nachdem die baskische Unabh?ngigkeitsbewegung zur Wahl von II-SP aufgerufen hat?

Nun ist es m?glich, die n?tigen 300.000 Stimmen zu bekommen. Deshalb wollte man uns im Vorfeld abw?rgen und verhindern, dass erneut in Europa f?r das Selbstbestimmungsrecht geworben wird, in Verbindung mit dem Klassenkampf. Ich hoffe, dass wir ein Beispiel f?r andere bieten.

Ralf Streck den 29.05.2009